Tantra beschreibt eine spirituelle Bewegung der nördlichen Mahayana-Tradition aus Indien. Sie vereint die buddhistische und hinduistische Lehre miteinander.
Tantra gilt als eine höchst spirituelle Bewegung. Tantra beschäftigt sich intensiv mit den Bewusstseinszuständen des Menschen und ist mit der
Esoterik vergleichbar.
Vor allem beschäftigt sich die tantrische Bewegung mit den verschiedenen Bewusstseinsebenen des Menschen. Bis heute konnte wissenschaftlich noch nicht eindeutig nachvollzogen werden, ob es nun drei, vier oder sogar fünf Bewusstseinszuständen und Phasen gibt.
Wenn man sich nach dem Saiva Tantra richtet, so durchlebt ein Mensch fünf grundlegende
Bewusstseinszustände:
1. Jagrat, der Wachzustand
2. Svapna, das Träumen
3. Sushupta, der Tiefschlaf
4. Turiya, der vierte oder transzendentale Zustand
5. Turiyatita, jenseits des vierten Zustands
Bewusstseinszustand Jagrat
Jagrat ist der erste Bewusstseinszustand und wird auch als Wachzustand bezeichnet. Im ersten Bewusstseinszustand nimmt der Mensch sich ausschließlich in seinem physischen Körper wahr und ist nur fähig, die materielle Umwelt zu erfassen.
Obwohl der erste Bewusstseinszustand als Wachzustand bezeichnet wird, ist aus tantrischer Sicht genau das Gegenteil der Fall. Zwar kann der Mensch mit seinen Mitbürgern interagieren, jedoch ist er in diesem Zustand quasi "abgekapselt" von seiner Seele. Einfach ausgedrückt: Er ist nicht in der Lage, sein Seelenempfinden bewusst wahrzunehmen. Deshalb bezeichnen viele
Tantra-Praktizierende diesen Zustand auch als den "unerwachten Zustand".
Wahrscheinlich wird der erste Bewusstseinszustand als Jagrat beziehungsweise Wachzustand bezeichnet, um ihn einfacher von der zweiten und dritten Bewusstseinsebene (Traum und Tiefschlaf) zu unterscheiden.
In manchen Situationen ist es möglich, die anderen
Bewusstseinszustände im Jagrat zu erleben. Denn auch wenn das menschliche Auge die anderen Ebenen nicht erfassen kann, überlappen sich die jeweiligen Welten von Zeit zu Zeit. Ein gutes Beispiel hierfür sind die sogenannten Tagträume.
Bewusstseinszustände Svapna und Sushupta
Svapna: Schlaf-/Traum-Zustand
Svapna ist der zweite Bewusstseinszustand und wird unter anderem auch als Schlaf-/Traum-Zustand bezeichnet.
In diesem Zustand tritt die betroffene Person in ihren feinstofflichen Energiekörper ein. Der feinstoffliche Energiekörper ist auch bekannt als
Aura und Prana.
In der zweiten Bewusstseinsebene erlebt der Betroffene die sogenannte Einheit in Vielfalt oder auch "bhedabeda" genannt.
Denn der Schlafende wandert durch die Bilder seiner eigenen Vorstellungswelt und lernt dabei bisher unbekannte Aspekte seines Geistes kennen, wobei gesagt sein sollte, dass das Land der Träume weitaus mehr ist, als es auf den ersten Blick zu sein scheint.
Denn anders als oftmals dargestellt, handelt es sich dabei nach tantrischer Lehre nicht um bloße Hirnaktivitäten, die abwechselnd von dem R.E.M. Zustand in den Tiefschlaf schwanken.
Durch Training kann der Schlafende lernen, luzide Träume zu erleben. Das bewusste Herbeiführen von luziden Träumen ist nach tantrischer Lehre ebenfalls ein wichtiger Schritt der spirituellen Weiterentwicklung.
Sushupti: der Tiefschlaf-Zustand
Sushupti ist der dritte Bewusstseinszustand und wird auch als Tiefschlaf-Zustand bezeichnet. Während des Tiefschlafs ist der Mensch sich selbst nicht mehr bewusst. Er befindet sich in einer absoluten Leere und verliert jedwedes Zeitgefühl. Diese Leere ist wichtig, damit der menschliche Organismus, und vor allem sein Gehirn, sich von den Erlebnissen des Tages erholen kann.
Jedoch ist sie auch ein erstrebenswertes Ziel im
Tantra.
Denn Tantra-Anwender versuchen diesen leeren Zustand bewusst wahrzunehmen. Nur Menschen, die auf spiritueller Ebene hoch entwickelt sind, schaffen es, Sushupti bewusst wahrzunehmen und in diesem Zustand zu meditieren.
Bewusstseinszustände Turiya und Turiyatita
Turya: der vierte oder transzendentale Zustand
Turya ist der vierte Bewusstseinszustand und wird auch als transzendentaler Zustand bezeichnet. Dieser Bewusstseinszustand kann nur von Menschen erreicht werden, die spirituelle Praxis haben. Der transzendentale Zustand wird durch die
Meditation bewusst herbeigeführt. In diesem Zustand befreit sich der Meditierende von jedweden Gedankengängen und unterdrückt seine physischen Bedürfnisse.
Dieser Zustand kann auch als "Samadhi" (auf Deutsch, "Die Vereinigung mit dem Herrn" oder "Licht Gottes") bezeichnet werden und ist äußerst erstrebenswert.
Kurz gesagt, erlebt man im transzendentalen Zustand bewusst dieselbe Leere wie im Tiefschlaf.
Turiyatita: jenseits des vierten Zustands
Turiyatita ist der fünfte Bewusstseinszustand, jedoch wird er von Tantrikern bevorzugt als "Zustand nach dem Durchdringen des transzendentalen Zustandes" bezeichnet. In diesem Zustand soll man in der Lage sein, normale Aktivitäten des Wachlebens durchzuführen und gleichzeitig das Samadhi (das Licht Gottes) zu spüren.
Dieser Zustand gleicht der Erweckung des Dritten Auges, denn die betroffenen Personen sind in der Lage, die 4. Dimension im alltäglichen Leben wahrzunehmen. Nur wenige Menschen erreichen diesen Zustand, da er sozusagen die simple Wahrnehmung des Seins verkörpert.
Man erkennt Turiyatita dann, wenn man im Wachleben die Anwesenheit göttlicher Präsenz wahrnehmen kann.
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